Donnerstag, 17. Januar 2013

Ungeheuer

Wo: Emser Straße 23, Berlin-Neukölln
Was gibt's: Heißgetränke, Kaltgetränke, Frühstück, Mittagsbrot und unregelmäßig Abendessen. Kaffee ab 1,60€, 0,5l Pilsener Urquell 2,10€, Frühstück ab 2,80€
Offen: Außer Montags immer ab 10:00 Uhr, Frühstück von 10:00-16:00 Uhr




Im Ungeheuer geht man eigentlich Frühstücken. Das Frühstück ist nämlich köstlich und wunderschön anzusehen. Es gibt eine breite Auswahl an immer frisch und liebevoll zubereiteten Kombinationen. Aber da unser Sonntagmorgen für Uni und Urlaub reserviert ist und über das Frühstück des Ungeheuers auch so schon genug geredet wird, sind wir fest entschlossen das Abendbrot zu testen. Auf vage Verheißungen hin und aufgrund einer Auswahl an Brot-Optionen in der Online-Karte, wagen wir uns mit knurrendem Magen ins Ungeheuer. Noch ahnen wir nicht, dass uns ein Abend voller Herausforderungen, mit alten Bekannten, Überraschungsquiche und goldenen Getränken bevor steht. 
So betreten Luisa und ich den kleinen Laden frohen Mutes: Noch bevor wir es zu einem der Holztische schaffen, findet mich die erste alte Bekanntschaft. Fast genau ein Jahr ist es her, dass Julie und ich uns zuletzt gesehen haben, es war auf der Silvesterparty von Freunden, auf einem Schloss am See irgendwo in Brandenburg mit Maskenball. Wir schwelgen in Erinnerungen und tauschen Neuigkeiten aus. Unglaublich ich treffe doch sonst nie Jemanden. Vermutlich weil Neukölln einfach viel zu viele Kieze hat, und die Auswahl an guten Bars vom Schiller- über den Körnerkiez bis zur Weserstraße and beyond reicht. Luisa wird schon ungeduldig, so beende ich die Begegnung und eile zu ihr und der einsamen Kerze, die auf dem Tisch vor sich hin flackert. Das Ungeheuer wird vornehmlich von Kerzen auf Fensterbrettern und Tischen erhellt und hat eine schaurig-schöne Atmosphäre. Aber ob wir hier wirklich noch was zu essen kriegen scheint fraglich. Wir bestellen erst mal zwei große Pilsener Urquell und begrüßen Laura, die gerade aus ihrem letzten Seminar für heute – Filmkritik mit der TAZ-Journalistin – kommt.

Der Kellner bringt die Biere und wir erfahren so einiges: Erstens er heißt Matze und ist Lauras alte Bekanntschaft, zweitens er ist gar kein Kellner, sondern neuerdings Besitzer des Ungeheuers und drittens das Frühstück kommt jetzt viel schneller nach Bestellung – das konnte an so einem Sonntagmorgen schon mal ein paar Stunden dauern - und ist trotzdem noch genauso grandios. Also wir sind begeistert. Nur leider gibt es die Abendbrot-Optionen heute nicht, dafür aber noch Quiche und einen Teller Suppe vom Mittagstisch. Wir schlagen schnell zu und bestellen alles, was noch da ist. Wir haben Monster-Hunger. Kurze Zeit später kommen drei Portionen Quiche
und eine Suppe aus püriertem Gemüse. Wir haben nicht aufgepasst als uns Matze die Quiche verkündete und so wissen wir nun nicht genau, was vor uns liegt. Normalerweise kann man Quiche ja schnell geschmacklich und äußerlich einordnen. Aber diese gibt uns Rätsel auf: Sie schmeckt interessant, aber eigentlich überhaupt nicht nach Quiche, sondern eher nach einer Mischung aus Pizza und der Füllung von Tomaten-Blätterteigtaschen. Wir entdecken getrocknete Tomaten, Oliven und Mozzarella. Ich bestehe außerdem darauf Walnüsse zu schmecken, auch wenn die anderen mir darin nicht zustimmen. Irgendwie können wir auch nicht sagen, ob wirklich Eier drin stecken. Aber ohne Ei keine Quiche, darin sind wir uns wenigstens einig, darauf trinken wir!

Laura erzählt uns von ihrem gestrigen Überraschungsvorstellungsgespräch für einen Halbtags-Job und Luisa gibt Kostproben der 80 Vorstellungsgesprächsfragen, die sie als Vorbereitung für ihr Auswahlgespräch in der nächsten Woche durcharbeitet: Und wo sehen sie sich in fünf Jahren? Laura und ich halten 80 für absolut übertrieben und bestellen als Antwort lieber Schnaps mit dem wir die Quichereste vernichten. Zu den Erinnerungen an Absageprosa bestellen wir den Zweiten. Zu dem gesellt sich der nächste alte Bekannte... wie gewöhnlich fällt er mit dem Kopf voran, diesmal gegen die Fensterscheibe. Es klirrt und für einen Moment haben wir Angst die Scheibe könnte nicht halten und wir im Scherbenhagel sitzen. Aber da lacht er schon wieder und wankt zur Eingangstür. Mit Willi oder Manni (wir wussten es mal) haben wir schon einen langen Abend im Nini e Petirosso um die Ecke verbracht. Es fing an mit einem harmlosen Gespräch und endete mit einem Rauswurf – für Willi (oder Manni). Diesmal kommt er gar nicht bis zu unserem Tisch, wir begrüßen und verabschieden ihn schon in der Tür. Es ist eh Zeit weiterzuziehen. Wir verabschieden uns noch schnell von Julie und stellen dabei fest, dass Laura sie ebenfalls kennt. Verrückt. Im Ungeheuer ist Neukölln ein Dorf!
Weiter geht es ins Liesl, wo wir das erste Danziger Gold auf unsere Lise im Süden trinken und gleich dazu noch eine Portion Obazda mit Brez'n bestellen. Luisa verliebt sich augenblicklich in das Danziger Gold-Getränk, ein Kräuterschnaps mit Blattgold-Einlage, den ich immer zu Silvester trinke. Ich verliebe mich dafür in die wieder zum Vorschein geholte Pferdetapete des Liesl, das am Donnerstagabend auch um zwei Uhr noch geöffnet ist. Gar nicht so schlecht für das Dorf Neukölln, denk ich mir. So langsam neigt sich der Abend dem Ende zu und ich sehne mich nach meinem Zuhause. Zum Glück ist das ja nur ein paar Straßen weiter. 

- Nele




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen