Donnerstag, 4. Oktober 2012

Sauvage

Wo: Pflügerstraße 25, Berlin-Neukölln, U-Bahnhof Schönleinstraße oder Hermannplatz
Was gibts: paleolithische Küche, gluten- und zuckerfrei; auch vegetarische Gerichte
Preise: Hauptgerichte zwischen 14 und 25 Euro
Offen: Dienstag bis Sonntag 18-24.00 Uhr 
 



Neulich auf der U7: Zwei camel-gewandete Mittfünfzigerinnen, perlmuttfarbener Lidschatten unter den randlosen Brillen, die Longchamp-Shopper auf dem Schoß, sinnieren über den weiteren Verlauf der Linie. „Rathaus Neukölln“ liest die eine: „Also da war ich ja noch nie.“ Die andere stöhnt. „Man könnte doch einfach mal… denkst du, es ist gefährlich?“ Die andere zieht die Augenbrauen hoch, seufzt: „Hem“. „Es gibt da jetzt dieses neue Restaurant, mit der Steinzeit-Küche. Das würde mich schon mal interessieren.“ Die andere: „Emh?!“ „Man könnte ja ein Taxi nehmen…“, überlegt die Kommunikative noch beim Aussteigen am Fehrbelliner Platz.
„Neukölln ist überall!“ hätte ich den beiden gerne nachgerufen, unterließ es aber, weil ich mich ungern in der U-Bahn exponiere; und auch weil ich nun meinerseits sinniere: Es kann doch nicht angehen, dass nun schon Wilmersdorferinnen über das Neuköllner Restaurant der Stunde Bescheid wissen – und ich dort noch gar nie war!

Seit Mai 2011 gibt es das ‚Sauvage‘ in der Pflügerstraße. Es ist das erste paleolithische Restaurant Europas, mindestens, vielleicht auch der Welt. Man kocht dort gemäß steinzeitlicher Essgewohnheiten, das heißt: kein Getreide, keine Milchprodukte, kein Zucker; dafür Gemüse, Fleisch, Fisch, Eier, Öle, Nüsse, Samen und Kräuter, welche dann selbstverständlich aus biologischem Anbau oder „aus der wilden Tierwelt“ stammen. Letzteres erklärt uns ein charmanter Schlaks mit französischem Akzent und wedelt dazu mit den Händen (um einen fliegenden Vogel nachzuahmen?). Es ist Samstagabend und ich bin im Sauvage.
Das Restaurant ist mit Preisen von 14 – 25 Euro für die Hauptspeisen dann doch so gehoben, dass der Besuch eines besonderen Anlasses bedarf. Ein solcher ist mit dem Geburtstag meines glutenunverträglichen Freundes endlich gekommen.
Schon beim Eintreten umwehen uns kräuter-zimtige Wohlgerüche, das kleine Restaurant wird vor allem von Kerzen erhellt. Die kleinen Blumen, die auf jedem der blanken Holztische stehen, werfen Schatten an die Wände und sind ihr einziger Schmuck. Man kommt sich trotzdem nicht wie im Neandertal vor, was ich angesichts der Qype-Kategorisierung als ‚Erlebnisrestaurant‘ ehrlich gesagt ein bisschen befürchtet hatte: Der Service ist international-kommunikativ, entspannt ohne flapsig zu sein, es gibt Stoffservietten und Silberbesteck.
Wir bestellen einen ‚Hunter’s Plate‘, „der perfekte Einstieg in die paleolithische Küche“, zur Vorspeise. Auf einer Schiefertafel werden uns in kleinen Schälchen angerichtete Pestos, Salate, Dips an Sprossen, Kräutern und Brot serviert. Das ist eine geschmackliche Offenbarung, der meine hastig geknipsten Fotos einfach nicht gerecht werden (daher diesmal keine, sorry). Als Hauptspeise dann Rinderfilet mit Austernpilzen und Fasan an gegrillten Pflaumen und Rüben. Beide Gerichte werden mit einem Wildkräutersalat und Kokospüree serviert und sind unglaublich gut. So gut, dass mein in Sachen Rinderfilet wirklich sehr bewanderter Freund dieses als „das beste Stück Fleisch, das ich je gegessen habe“ bezeichnet. Und ja, jenseits aller Ideologie (Steigerung der Libido! Nie mehr Grippe!) bin auch ich begeistert von dieser zugleich puren und geschmacklich intensiven Küche auf sehr hohem Niveau.
Ich spare für den nächsten großen Anlass.    

- Elisabeth




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