Donnerstag, 27. Dezember 2012

Long March Canteen

Wo: Wrangelstraße 20, Berlin-Kreuzberg
Was gibt's: chinesische Dim Sum und Dumplings
Preise: 5 - 8€ pro Teller
Offen: täglich von 18:00 - 24:00 Uhr
longmarchcanteen.de




Ein roter Teppich auf regennassem Teer, verdunkelte Fenster, grelles Licht, eine geschlossene Tür. Was an den Parkplatz einer Großraumdisco erinnert, ist nur ein Bürgersteig in der Wrangelstraße. Trotzdem fühle ich mich wie eine 15-jährige kurz vor der Ausweiskontrolle. Ich setze mein erwachsenstes Gesicht auf und stelle mich der zierlichen Türsteherin, die ein MacBookAir auf ihrem Schoß balanciert. Ich habe reserviert, sage ich so desinteressiert wie möglich und gebe der Garderobendame weltmännisch Trinkgeld. Ein junger Mann im blauen Baumwollhemd geleitet mich an einen schwarzlackierten Holztisch. Ich bin drin. 


In der Long March Canteen will ich nicht tanzen, sondern essen. Es gibt chinesische Küche im Tapas-Format, in einem Ambiente, das es mit so manchem Club aufnehmen könnte: Wände, Boden, Tische und Bänke sind schwarz. Ein ausgeklügeltes Lichtkonzept setzt die Teller in Szene. Kulturrevolutions-Kitsch ziert die eine, Licht-Kunst eine andere Wand, dann gibt es noch Lampions und eine Showkoch-Insel vor einem rot ausgeleuchteten Kühlschrank. Nicht zu vergessen die proletarisch gewandeten Kellner. Wow.

Eine meiner Begleiterinnen kommt zu spät, im Bus noch hatte sie in Jung Changs "Wilde Schwäne" gelesen. Der lange Marsch, berichtet sie, habe Mao Zedong dabei geholfen seine Herrschaft zu festigen und gilt noch heute als zentraler Heldenmythos der Kommunistischen Partei Chinas. Mao habe dann den chinesischen Familien untersagt zu kochen. Stattdessen wurden sie gezwungen, ihr Essen in staatlichen Kantinen einzunehmen. Schon lustig, diesen geschichtlichen Hintergrund als ästhetisch-exotische Vorlage für ein hippes Restaurant in Berlin 2012 zu wählen, oder? 

Nicht so richtig.

Ein Mao-Boy bringt gepressten Tofu, frischen Thunfisch auf roter Beete und Schweinerippchen in Zhejiang-Essig. Das ist der erste Teil unserer Bestellung. Weil zwei von uns kein Fleisch und eine keine Soja-Soße essen, können wir kaum untereinander teilen und die einzelnen Speisen bleiben ein wenig eintönig. So geht es auch beim zweiten Gang, marinierter Hähnchenspieß mit Wasserkastanie, vegetarische Abalone (Seeschnecken) mit grünem Spargel und Veggie-Teigtaschen (Dumplings): Einzeln ist das alles gut, aber man bleibt geschmacklich ein wenig gelangweilt zurück. Tang Bao, der warme Schokodumpling mit Zimt, Kakao und Vanillesoße kann das leider auch nicht mehr ändern. Ziemlich schnell finden wir uns so wieder auf dem leeren Gehsteig. „Geht nach Mitte, bitte!“, sagt ein Graffiti an der Fassade, das ich beim Kommen gar nicht gesehen hatte. Man muss ja nicht auf allen Parties tanzen
.

-Elisabeth 






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